Zum Inhalt springen

Schrottimmobilien

Erfahren Sie hier, wann Verkäufer und Vermittler in Schrottimmobilien-Fällen haften.

Fehlerhafter Vertragsschluss

Nicht selten fehlt es in Schrottimmobilien-Fällen bereits an einem wirksamen Vertragsschluss.

Es war in der Vergangenheit üblich, dass der Anleger dem Verkäufer ein notarielles Kaufangebot unterbreitete und sich hieran für längere Zeit gebunden hielt. Innerhalb dieses Zeitraums konnte der Verkäufer dann das Angebot in notarieller Form annehmen und damit den Vertragsschluss herbeiführen. Das Angebot des Anlegers erfolgte dabei zumeist in Form vorbereiteter Vertragserklärungen, auf deren Gestaltung er keinen Einfluss nehmen konnte (Allgemeine Geschäftsbedingungen). Ist die Bindungsfrist des Anlegers länger als sechs Wochen, versagt der Bundesgerichtshof einer solchen Klausel die Wirksamkeit, sofern nicht im konkreten Einzelfall besondere Umstände vorliegen (BGH, Urt v. 17.01.2014, V ZR 5/12); Urt. v. 11.06.2010, NJW 2010, 2873 Rn 7).

Damit stellt sich die Frage, wann besondere Umstände im Einzelfall eine längere formularmäßige Bindungsfrist rechtfertigen können. Generalisierend lässt sich sagen: Die Gründe, die der Sphäre des Anlegers zuzuordnen sind, begründen stets einen besonderen Grund für eine Verlängerung der Bindungsfrist, Umstände aus der Sphäre des Verkäufers nicht.

In seiner Entscheidung vom 11.06.2010 hat der BGH darauf hingewiesen, dass hierfür ein schutzwürdiges Interesse des Anlegers bestehen muss, welches das Interesse des Klauselverwenders übersteigt. Hierzu können etwa Sonderwünsche des Anlegers zählen, deren Abklärung einen erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand erfordert.

Demgegenüber ist eine Bonitätsprüfung des Anlegers durch den Verkäufer oder die Abklärung der eigenen Erfüllungsfähigkeit im Hinblick auf eine notwendig werdende Pfandfreistellung der Immobilie kein fristenverlängernder besonderer Grund. Gleiches gilt für das Platzierungsinteresse des Bauträgers, der seiner finanzierenden Bank regelmäßig eine Abverkaufsquote (meist 70%) nachweisen muss. Für eine Abwälzung dieses originären Verkäuferrisikos auf den Anleger besteht kein rechtfertigender Grund, auch wenn dies für Bauträger mit einer Vielzahl von zu errichtenden Immobilien eine ernsthafte Hürde darstellt. Eine noch fehlende baurechtliche Genehmigung kann ebenfalls nicht zu einer Verlängerung der formularmäßigen Bindungsfrist führen, weil sich der Verkäufer im Vorfeld des Vertragsschlusses Gewissheit verschaffen kann.

Faktisch führt die Vereinbarung einer überlangen Bindungsfrist fast immer zur Haftung des Notars. Denn ihm obliegt gerade die Amtspflicht, einen wirksamen Kaufvertrag zu beurkunden. Ob dies auch für Altfälle vor Veröffentlichung der Leitentscheidung vom 11.06.2010 gilt, ist noch nicht höchstrichterlich geklärt. Insoweit könnte es an einem Verschulden des Urkundsnotars fehlen.

Beliebt waren in vorformulierten notariellen Verträgen auch Bindungsklauseln, wonach das Angebot des Anlegers über die Bindungsfrist hinaus als widerrufliches, jederzeit annehmbares Angebot fortbesteht. Der Bundesgerichtshof sieht unbefristete Fortgeltungsklauseln als unwirksam an (BGH, Beschluss v. 14.07.2016, V ZR 258/15); Urt. v. 07.06.2013, ZIP 2013, 2108 (2110). Nichts anderes dürfte für befristete Fortgeltungsklauseln gelten. Denn mit ihnen könnte auch nach Jahren der Anleger von einer Vertragsannahme des Verkäufers überrascht werden.

Diese Rechtsprechung gilt auch für Bauträgerverträge, bei denen sich der Verkäufer neben der Eigentumsverschaffung zur Neuerrichtung oder Sanierung eines Altbaus verpflichtet (BGH, Urt. v. 17.01.2014, V ZR 5/12).

Konsequenz hieraus ist, dass allein wegen Überschreitung der Bindungsfrist oder wegen Verwendung einer Fortgeltungsklausel der Kaufvertrag noch Jahre nach seinem Abschluss rückabgewickelt werden kann. Eine Heilung tritt weder durch die Zahlung des Kaufpreises noch durch Umschreibung des Grundbuches auf den Anleger ein (BGH, Urt. v. 17.01.2014, V ZR 5/12).

Vor Gericht ist es für den Anleger entscheidend, den AGB-Charakter der obigen Klauseln beweisen zu können. Hierbei kommt ihm zugute, dass die Beweislast dafür, dass die Fortgeltungsklausel zwischen den Parteien im einzelnen "ausgehandelt" worden ist, beim Verwender (Verkäufer) liegt (LG Hannover, Urt. v. 02.04.2015, 16 O 20/14, bestätigt durch BGH, Beschluss v. 14.07.2016, V ZR 258/15).

War ein Angebot bereits erloschen, als es der Verkäufer angenommen hat, führen auch die erklärte Auflassung und Eintragung im Grundbuch nicht zu einer Heilung des Kaufvertrages. Denn eine Heilung nach § 311b Abs. 1 S. 2 BGB setzt einen geschlossenen Kaufvertrag voraus, wofür es einer Willensübereinstimmung im Zeitpunkt der Auflassung bedarf (BGH, Urt. v. 13.05.2016, V ZR 265/14). 

Da sich bei einem nichtigen Kaufvertrag kein Schadensersatzanspruch des Anlegers, sondern nur ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Rückabwicklung ergibt, kann der Anleger nicht die Finanzierungskosten (Darlehenszinsen) ersetzt verlangen. Der Anspruch ist also beschränkt auf die Rückzahlung des Kaufpreises. Gegenzurechnen sind die Mieterträge abzüglich nicht umlagefähiger Nebenkosten (BGH, Urt. v. 17.01.2014, V ZR 5/12).

Sittenwidriger Kaufpreis

Der Kaufvertrag für die Schrottimmobilie ist nichtig, wenn der Kaufpreis sittenwidrig überhöht ist. Die Rechtsprechung bejaht die Sittenwidrigkeit, wenn der Kaufpreis knapp 100% über dem Verkehrswert liegt. Dann kann der Anleger vom Verkäufer Rückzahlung des Kaufpreises verlangen und muss im Gegenzug die Immobilie herausgeben.

Der Anleger hat daneben auch einen Schadensersatzanspruch gegen den Vermittler mit gleichem Ergebnis, wenn dieser im Einzelfall auch schuldhaft Beratungspflichten verletzt, etwa den Kauf einer erheblich überteuerten Wohnung zum Zwecke der Steuerersparnis angeraten hat. Denn dann nimmt er für sich eine Sachkunde in Anspruch, die ihn für die Richtigkeit etwa einer Investitionsrechnung haften lässt.

Der Verkehrswert lässt sich verbindlich nur durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen feststellen. Dieser recherchiert, zu welchem Preis vergleichbare Immobilien verkauft worden sind. Ist dies mangels Vergleichszahlen nicht möglich, wird eine Immobilie nach dem Ertragswert bewertet. Hierfür ist die Jahresnettokaltmiete zu ermitteln und mit einem Faktor zu multiplizieren, der von Region zu Region sehr variiert.

Beispiel: Der Vermieter erzielt eine monatliche Kaltmiete von 400 Euro und nach Lage und Ausstattung der Immobilie erscheint ein Faktor 12 als angemessen. Dann beträgt der Verkehrswert der Immobilie etwa 400 Euro x 12 Monate x Faktor 12 = 57.600 Euro. Wird diese Wohnung für 110.000 Euro oder mehr verkauft, wird man von einem sittenwidrigen Kaufpreis ausgehen können.

Verletzung von Beratungspflichten

Auch sonstige Vertragsverletzungen können zu einem Ausstiegsrecht des Anlegers führen. In Betracht kommen z.B. Schadensersatzansprüche gegen den Verkäufer oder Vermittler wegen Falschberatung. Praxisrelevant sind falsche Angaben etwa zu:

  • Mieteinnahmen
  • Kosten der laufenden Verwaltung
  • Zustand der Wohnung
  • Bonität des Mieters
  • Steuervorteilen.

Nicht selten sind steuerliche Investitionsrechnungen falsch oder unvollständig, etwa weil dem Anleger vorenthalten wird, dass er laufende Hausgeldzahlungen zu leisten hat. Das "Rundum-sorglos-Paket" sieht oft ein cash-out vor, d.h. das aufgenommene Darlehen ist höher als der eigentlich benötigte Kaufpreis. Der Anleger freut sich zunächst über ein prall gefülltes Bankkonto und glaubt, der Immobilienerwerb rechne sich. Er erkennt zu spät, dass er auch das cash-out teuer verzinst an die finanzierende Bank zurückzahlen muss.

Innenprovisionen von mehr als 15%

Auch bei der Vermittlung von Kapitalanlagen in Form von Eigentumswohnungen muss der Vermittler ungefragt offenbaren, dass er mehr als 15% Innenprovision vom Verkäufer erhält. Denn eine solche Provisionshöhe läßt erwarten, dass das Anlageobjekt nur über eine geringe Werthaltigkeit verfügt. Den Verkäufer selbst trifft diese Pflicht nicht, weil dem Anleger hier der Interessengegensatz bewusster ist als bei einem Vermittler (BGH, Urt. v. 23.06.2016, III ZR 308/15).

Kausalität

Mit Urt. v. 15.07.2016 (V ZR 168/15) hat der BGH nunmehr klargestellt, dass die Kausalität eines Beratungsfehlers des Verkäufers für den Kaufentschluss des Anlegers vermutet wird. Dies selbst dann, wenn sich der Anleger bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte. 

Wirtschaftlicher Erfolg

Prozesse gegen Verkäufer/Vermittler sind in der Praxis zwar juristisch oft erfolgreich, verfehlen aber ihr wirtschaftliches Ziel. Denn der Verkäufer/Vermittler ist am Ende des Prozesses meist insolvent oder nicht mehr auffindbar. Will der Anleger bei seiner Prozessführung auf Nummer sicher gehen, sollte er sich deshalb eher an die Bank oder den Notar halten. Denn bei beiden Akteuren kann er davon ausgehen, auch wirtschaftlich zu seinem Geld zu kommen.

Ausstiegsmöglichkeiten

Übersicht über den Artikel